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Darf eine Mutter wütend auf ihr Kind sein?

Die Wut der Mutter auf ihr eigenes Kind ist noch immer ein Tabuthema, über das nicht gerne gesprochen und geschrieben wird. Es berührt zu sehr den „heiligen Thron“ der aufopferungswilligen Mutter, und es stößt an Grenzen persönlicher Unzulänglichkeitsgefühle. Doch jede Mutter, die mit ihren Gefühlen offen und ehrlich umgeht, wird sich eingestehen, dass es immer wieder einmal Momente gibt, in denen sie ihrem Kind gegenüber große Wut verspürt. Denn gerade beim Schreien des ansonsten gesättigten und gesunden Babys hört für viele Mütter der Spaß auf.

So sehr sie ihr Kind auch lieben, es sich gewünscht und willkommen geheißen haben, nach mehreren durchwachten Nächten sind sie am Ende ihrer Geduld und kurz vor der Wut. Alle Bemühungen scheinen umsonst, das Kind schreit und schreit. In dieser Situation spürt die Mutter erstmals Verzweiflung, die sich allmählich in Wut verwandeln kann.

Gerade in der ersten Zeit nach der Schwangerschaft, in der Unsicherheit und Ängste noch besonders groß sind, sehen sie sich Mütter diesem unliebsamen Gefühl zunehmend ausgeliefert. Gedanken wie „das Kind wolle sie ärgern, denn es schreie offensichtlich aus Zorn und nicht aus Hunger“, machen sich im mütterlichen Gefühlsleben breit. Gleichzeitig spüren Mütter aber auch massive Schuldgefühle, denn eine gute Mutter darf doch auf ihr hilfloses Baby keine Wut haben; sie liebt es mit Hingabe und Aufopferung in jeder Situation. Ein innerer Teufelskreis bewusster oder unbewusster Gefühlskonflikte beginnt.

Wut und wie sich diese äußert

Wenn sie offen zutage tritt, wird das Kind beispielsweise:

  • unsanft ins Bett gelegt
  • wiederholt wütend angeschrieen
  • mit unverhohlener Wut angestarrt

Auch wenn sich die Mutter und ihre Wut gut im Griff hat, ist das Gefühl da und wird vermutlich in Träumen ausgelebt.

Dass es in der engen Mutter-Kind-Beziehung zu solchen Wutattacken kommen kann, ist verständlich. Denn meist sind Mütter auf die Anforderungen der neuen Situation nach der Schwangerschaft und auf den dauernden Schlafentzug nicht vorbereitet. Und die eigenen Schwierigkeiten im Umgang mit unliebsamen Gefühlen wie Wut gewinnen jetzt an Bedeutung.

Mein Rat an Sie:

Wenn ihr Baby viel schreit aber ansonsten gesund ist und wenn alle noch so gut gemeinten Beruhigungsmethoden nichts nützen, brauchen Sie zumindest tagsüber Erholung. Bitten Sie jemand aus ihrem Freundeskreis, mit ihrem Baby ein paar Stunden spazieren zu gehen oder bei ihm zu bleiben. In dieser Zeit sollten Sie sich erholen und entspannen. Denn es hilft weder Ihnen noch Ihrem Kind, wenn Sie sich bis zur völligen nervlichen Erschöpfung verausgaben. Idealvorstellungen von der guten Mutter sind überholt und sollten über Bord geworfen werden. Ideale Mütter, die ihre Kinder rund um die Uhr hingebungsvoll lieben, gibt es nämlich nicht. Es reicht, wenn Sie als Mutter Ihrem Kind möglichst ausgeglichen und ruhig begegnen.

„Wenn wir Kinder großziehen, kommen häufig Dinge zum Vorschein, die wir selbst erst meistern, kontrollieren und überwinden müssen, um unseren Kindern nicht weh zu tun“, meint die amerikanische Psychologin Jane Swigart zu diesem brisanten Thema.

Was in dieser Situation hilft, ist Austausch mit anderen Müttern – beispielsweise in Still- oder Mutter-Kind-Gruppen. Schon die Tatsache, dass auch andere Frauen keine pflegeleichten Babys haben und gelegentlich Wut gegen ihr Kind hegen, befreit von quälenden Schuldkomplexen. Vielleicht weiß auch die eine oder andere Mutter einen guten Rat im Umgang mit einem Schreikind und der Wut der Mutter. Helfen kann auch, wenn sich Mütter einer „inneren Prüfung“ unterziehen, was ihre eigenen Kindheitserfahrungen, ihre Ansprüche an das Muttersein und das Kennenlernen individueller Grenzen anbelangt. Denn nur so lässt sich ein starkes, übermächtiges Wutgefühl verständlich machen und die Wut möglicherweise überwinden.

Wütende Mutter

Auch als Mutter brauchen Sie Zeiten, in denen sich jemand anderes um das Kind kümmert